Berlin/Nürnberg. Finanzierung, Ambulantisierung, Fachkräftemangel: Das deutsche Krankenhauswesen steht in den kommenden Jahren vor massiven Umstrukturierungen. Auch der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) stimmt dabei der einhelligen Meinung zu: Um die Kliniken in eine sichere Zukunft zu führen, braucht es eine Krankenhausreform. Dennoch bereiten die bisher vorgelegten Reformvorschläge des Bundesgesundheitsministeriums den Anästhesistinnen und Anästhesisten große Sorgen – denn sie bilden die Leistungen des Fachgebietes Anästhesiologie, das mit seinen fünf Säulen Anästhesie, Intensiv-, Notfall-, Schmerz- und Palliativmedizin äußerst breit aufgestellt ist, nur unzureichend ab.


Entsprechend stand der Parlamentarische Abend, zu dem der Berufsverband zum Weltanästhesietag in die historische Kulisse der Hörsaalruine der Berliner Charité eingeladen hatte, unter der leicht provokativen Überschrift: „Wisst ihr eigentlich, wie wichtig wir sind?“


In seinem Eingangsreferat machte der gesundheitspolitische Sprecher des BDA, Dr. Markus Stolaczyk, deutlich: Über 27.000 Fachärzte für Anästhesiologie sind momentan im ambulanten und stationären Bereich beschäftigt. Damit sind sie eine der größten Berufsgruppen innerhalb der Medizin und versorgen über zehn Millionen Patientinnen und Patienten im Jahr – an allen 365 Tagen, rund um die Uhr.


Definition als Querschnittsfach spiegelt Komplexität des Fachgebiets nicht wider


BDA-Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck machte den etwa 25 geladenen Gästen aus Politik, medizinischen Fachverbänden und der Bundesärztekammer zudem beispielhaft deutlich: „Wir versorgen größtenteils die Notfälle, wir betreuen die Schockräume und auch die Intensivstationen, wir begleiten die Patienten durch die OP, wir machen die Schmerztherapie hinterher und kümmern uns um die Palliativversorgung.“


Umso unverständlicher sei es, dass die Anästhesiologie in der Krankenhausreform bisher so wenig Beachtung fände. Die bislang im Reformvorhaben gewählte Formulierung, die Anästhesiologie als Querschnittsfach abzubilden und in Vorhaltepauschalen zu hinterlegen, spiegele die Komplexität des Fachgebietes, aber auch die der Krankenhauslandschaft nicht wider. Anästhesisten besetzten nicht den Querschnitt der Behandlungen, sondern nahezu alle wichtigen Schnittstellen im Klinik- und Praxisbetrieb. Als solche seien sie von existenzieller Bedeutung in der Versorgung der Patientinnen und Patienten. „Ohne uns geht es meist nicht“, erklärte Prof. Beck.

 
Um sich darüber auszutauschen, aber auch um politische Entscheidungsträger zu sensibilisieren, war Johanna Sell, Leiterin der Unterabteilung 21 – Gesundheitsversorgung und Krankenhauswesen – im Bundesministerium für Gesundheit anschließend eingeladen, auf dem Podium Platz zu nehmen. Unter der souveränen Moderation des Journalisten Knut Elstermann diskutierte sie zusammen mit Dr. Susanne Johna, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer und Vorsitzende des Marburger Bundes, Prof. Dr. Erika Raab, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling und Geschäftsführerin des Kreisklinikums Großgerau, sowie Prof. Dr. Grietje Beck und Dr. Markus Stolaczyk von Seiten des BDA.


Der Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung wird zu wenig Beachtung geschenkt


Eine große Bandbreite an Themen wurde dabei angesprochen: vom tatsächlichen Stand der Dinge in Sachen Krankenhausreform über die Auswirkungen der unklaren Finanzierung der Weiterbildung junger Anästhesistinnen und Anästhesisten, den Grad an Bürokratisierung, der die Kolleginnen und Kollegen in der Ausübung ihres Berufes hemme, bis hin zum schon jetzt vorherrschenden Fachkräftemangel.


Für den Berufsverband blickte Präsidentin Prof. Dr. Grietje Beck am Ende in die Zukunft: „Dies war für uns ein erster Aufschlag, mit den Politikern ins Gespräch zu kommen, und dem werden hoffentlich weitere folgen. Wir möchten uns einbringen und: Wir sollten uns auch einbringen dürfen.“ Der BDA stehe für Gespräche, Hintergrundwissen und Lösungsvorschläge immer zur Verfügung – und werde nicht nachlassen, für die berufspolitischen Interessen seines Faches zu kämpfen.